HIV und Schlafstörungen
Schlafstörungen können verschiedene negative Folgen haben und die Lebensqualität beeinträchtigen. Chronische Schlafstörungen können zu Angststörungen, Depressionen, Alkoholmissbrauch und Stoffwechselerkrankungen führen. Sie können auch die körperliche und psychische Leistungsfähigkeit beeinträchtigen und das Unfallrisiko erhöhen. Es gibt verschiedene Formen von Schlafstörungen, einschließlich Schlafmangel (Insomnie), übermäßige Tagesschläfrigkeit, Parasomnien und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus. Schlafstörungen können durch ungünstige Lebensgewohnheiten, seelischen Stress, seelische Erkrankungen, Substanzmissbrauch, körperliche Erkrankungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln verursacht werden. Es ist wichtig, die Ursache der Schlafstörungen zu identifizieren und gegebenenfalls eine entsprechende Behandlung anzustreben. HIV-Patient:innen sollten sich bei Schlafstörungen an ihren behandelnden Arzt wenden und eventuelle Nebenwirkungen von Medikamenten besprechen. Warum Schlaf so wichtig ist, lesen Sie hier.
Autor:
Dr. med. Steffen Heger
Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Wozu schlafen?
„Der Schlaf ist für den Menschen das, was das Aufziehen für die Uhr ist.“ Dieser Satz stammt von dem Philosophen Arthur Schopenhauer (1788-1860). Schlaf dient der Erholung von Körper und Geist. Nach einer Nacht mit ausreichend langem und ungestörtem Schlaf fühlen wir uns entsprechend erholt und regeneriert. Im Schlaf wird das Gedächtnis stabilisiert und Verschaltungen zwischen Nervenzellen werden optimiert („Synapsenpflege“). Der Schlaf ist also wichtig für die Hirnfunktion, insbesondere das Gedächtnis, indem Inhalte aus dem Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis überführt werden. Auch Aufmerksamkeit und Konzentrationsleistung am Tag werden gefördert. Jeden Tag entstehen im Gehirn ca. 7 g Proteinabfälle, die vor allem in der Nacht abtransportiert werden. Der Schlaf hat also eine Reinigungsfunktion für das Gehirn, vergleichbar mit Kehrmaschinen, die in der Stadt nachts die Fußgängerzone von Abfall befreien. Manche Körperfunktionen unterliegen einem Tag-Nacht-Rhythmus. Dazu gehören die Körpertemperatur ebenso wie die Ausschüttung bestimmter Hormone wie Kortisol und Zytokine, die das Immunsystem regulieren und eine Rolle bei Entzündungsvorgängen spielen, appetitregulierende Hormone, Wachstumshormon und einige Sexualhormone. Schlafstörungen können diese Rhythmen aus dem Takt bringen und die entsprechenden Funktionen stören.
Für die meisten Erwachsenen ist eine Gesamtschlafdauer zwischen sieben und acht Stunden im Lauf eines 24-Stunden-Tags für die Gesundheit optimal. Die benötigte Schlafdauer nimmt mit zunehmendem Alter ab.
Etwa 2% der Bevölkerung sind Kurzschläfer; sie benötigen weniger als fünf Stunden Schlaf und fühlen sich trotzdem erholt. Im Gegensatz dazu brauchen Langschläfer mindestens zehn Stunden Schlaf im Lauf von 24 Stunden, um sich erholt zu fühlen. Ob man Früh- oder Spätaufsteher:in bzw. eher Morgen- oder Nachtmensch ist, ist genetisch bedingt und lässt sich daher kaum beeinflussen. Deswegen ist es günstig, wenn man seinen Tagesablauf an das eigene Schlafmuster anpassen kann.
Die Zeit zwischen Schlafengehen bzw. Löschen des Lichts und Einschlafen („Einschlaflatenz“) beträgt normalerweise bis zu 30 Minuten. Dauert sie wesentlich länger, liegt eine Einschlafstörung vor.
Es gibt verschiedene Schlafphasen. Die erste Phase ist der Übergang zwischen Wachen und Schlafen, auch Einschlafphase genannt. Es folgen die Leichtschlafphase, zwei Tiefschlafphasen und schließlich der REM-Schlaf, der durch rasche Augenbewegungen gekennzeichnet ist („Rapid Eye Movement“) und in dem am intensivsten geträumt wird. Die Abfolge dieser Schlafstadien wird als Schlafzyklus bezeichnet. Ein Schlafzyklus dauert ca. 90-100 Minuten und er wiederholt sich mehrfach. Jeder Mensch erlebt mehrere kurze Wachphasen im Lauf der Nacht.
Es ist völlig normal, dass man nicht immer gleich gut schläft. Insbesondere äußere Einflüsse wie z. B. ein Wechsel der Umgebung, Lärm oder Sorgen und aktuelle Stressbelastungen können den Schlaf vorübergehend beeinflussen, ohne dass man sich deswegen Sorgen um die Gesundheit machen müsste. Ein vorübergehendes Schlafdefizit kann nachgeholt werden.
In den meisten Fällen sind Schlafprobleme die Folge ungünstiger Lebensgewohnheiten. Sie lassen sich daher oft durch geeignete Verhaltensänderungen beseitigen.
Wenn Schlafstörungen über einen längeren Zeitraum anhalten, beeinträchtigt das die Lebensqualität. Erstens wird das nächtliche Wachliegen als unangenehm erlebt und zweitens sind die am nächsten Tag folgende Müdigkeit bzw. Schläfrigkeit, Erschöpfung und verringerte Leistungsfähigkeit störend.
Chronische Schlafstörungen sind aber nicht nur subjektiv unangenehm. Sie sind auch ein Risikofaktor für Angststörungen, Depressionen und Alkoholmissbrauch.
Tagesschläfrigkeit, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen beeinträchtigen die körperliche und psychische Leistungsfähigkeit. Sie erhöhen das Unfallrisiko, beispielsweise durch verringerte Aufmerksamkeit und Konzentration oder durch Sekundenschlaf.
Da der Schlaf auch eine Rolle in der Appetitregulation spielt, können chronische Schlafstörungen zu Gewichtszunahme und Stoffwechselerkrankungen beitragen, während die Muskelmasse abnimmt. Dadurch steigt unter anderem das Herzinfarktrisiko.
Für Menschen mit HIV besonders relevant ist, dass Schlafstörungen außerdem die Funktion des Immunsystems beeinträchtigen. Das erhöht die Infektanfälligkeit, verringert die Wirksamkeit von Schutzimpfungen und begünstigt Entzündungsvorgänge, die ohnehin bei Menschen mit HIV verstärkt ablaufen.
Aus diesen Gründen sind chronische Schlafstörungen mehr als bloße Befindlichkeitsstörungen. Sie stellen eine ernst zu nehmende Gefahr für die Gesundheit dar.
Welche Formen von Schlafstörungen unterscheidet man?
Man unterscheidet vier Grundformen von Schlafstörungen.
Wenn die Schlafdauer deutlich geringer ist als das Schlafbedürfnis, spricht man von Schlafmangel oder Insomnie. Wenn das an mindestens drei Tagen in der Woche über mehr als einen Monat hinweg der Fall ist, liegt eine chronische Insomnie vor. Unter allen Schlafstörungen ist sie die häufigste.
Umgekehrt kann die Schlafdauer verlängert sein und mehr oder weniger ausgeprägte Tagesschläfrigkeit mit Einschlafen bei reizarmer Umgebung hinzukommen. Das ist typisch für seltenere neurologische Erkrankungen wie Narkolepsie (gekennzeichnet durch anfallsartiges und nicht willkürlich steuerbares Einschlafen am Tag) und vor allem das häufigere Schlaf-Apnoe-Syndrom, eine Atemstörung während des Schlafs.
Weniger bekannt sind Auffälligkeiten in bestimmten Schlafphasen, wie Einschlafzuckungen, Schlafwandeln, Pavor nocturnus (überwiegend bei Kindern auftretende nächtliche Erregungs- und Verwirrtheitszustände), Sprechen im Schlaf und Zähneknirschen (ein häufiges Stresssymptom, das längerfristig zu Zahn- und Kieferproblemen führen kann). Bei den sogenannten REM-Schlaf-Verhaltensstörungen fehlt die während der REM-Schlafphase normale komplette Entspannung der Muskulatur. Dann können Träume ausagiert werden, d. h. beispielsweise träumt jemand, gegen einen Angreifer zu kämpfen und schlägt dann im Schlaf tatsächlich um sich.
Bei dieser Form von Schlafstörungen wird geschlafen, wenn Wachsein gewünscht ist und man liegt wach, wenn man eigentlich schlafen möchte. Das bekannteste Beispiel ist der Jet Lag nach Reisen mit Zeitverschiebung. Auch Schichtarbeiter:innen haben häufig mit dem Problem zu kämpfen. Das „Non-24h-Sleep-Wake-Disorder“ betrifft vollständig blinde Menschen ohne Lichtwahrnehmung. Bei ihnen fehlt die normale Synchronisierung der inneren Uhr mit dem äußeren Wechsel von Helligkeit am Tag und Dunkelheit bei Nacht.
Welche Ursachen liegen Schlafstörungen zugrunde?
Grundsätzlich unterscheidet man Schlafstörungen ohne andere Ursache („Primäre Insomnien“) von solchen, die durch andere seelische oder körperliche Störungen verursacht werden. Im zweiten Fall sind die Schlafstörungen Symptom einer anderen Grunderkrankung. Wenn eine solche Grunderkrankung erkannt und behandelt wird, bessert sich häufig auch der Schlaf.
In den meisten Fällen sind Schlafprobleme die Folge ungünstiger Lebensgewohnheiten. Sie lassen sich oft durch geeignete Verhaltensänderungen („Schlafhygiene“) beseitigen. Solche ungünstigen Gewohnheiten sind zum Beispiel abendlicher Medienkonsum (Fernsehen, Internet, Smartphone), vor allem wenn er im Bett stattfindet. Auch aufregende Aktivitäten am Abend und Konsum von Substanzen, die den Schlaf stören, am häufigsten Alkohol, Nikotin und Koffein, können die Ursache sein. Alkohol erleichtert zwar das Einschlafen, führt aber zu unruhigem Schlaf und zu vorzeitigem Erwachen.
Ebenfalls häufig treten Schlafstörungen bei anhaltendem seelischem Stress auf, der seine Ursachen im Beruf oder im Privatleben, z. B. in der Partnerschaft haben kann. Darauf bezieht sich die etwas flapsig formulierte Psychotherapeut:innen-Weisheit “Schlafstörungen sind häufig auch Beischlafstörungen.” Schlafprobleme können in diesen Fällen als Frühwarnzeichen angesehen und genutzt werden, um nach Möglichkeit bestehende Konflikte zu lösen, Überlastungen abzustellen und so den Stress zu reduzieren.
Über diese eher unspezifischen Stressbelastungen hinaus gehen seelische Störungen wie akute seelische Krisen nach belastenden Lebensereignissen, Depressionen, Angststörungen und Traumafolgestörungen. Akute Krisen werden oft durch die Erstdiagnose einer HIV-Infektion aus gelöst. Auch Veränderungen des Gesundheitszustandes, die Diagnose anderer lebensverändernder Erkrankungen, Verlusterlebnisse wie Partnertrennungen, der Tod von Freunden und Angehörigen oder der Verlust des Arbeitsplatzes können die Seele aus dem Gleichgewicht bringen. In allen Fällen können Schlafstörungen das vorherrschende und am meisten belastende Symptom sein. Es reicht dann aber nicht, ein Schlafmittel zu verabreichen, sondern man sollte immer die dahinterstehende seelische Störung behandeln. Das gilt insbesondere für Depressionen, von denen mindestens jeder fünfte Mensch mit HIV betroffen ist. Fast alle depressiven Menschen leiden unter Schlafstörungen. Hier muss die Depression vorrangig behandelt werden. Dann normalisiert sich in den meisten Fällen auch der Schlaf.
Neben den oben erwähnten „Alltagsdrogen“ Alkohol, Nikotin und Koffein ist gerade bei LGBT*Q-Personen der Konsum illegaler Substanzen weit verbreitet. Vor allem Kokain, Amphetamine (Ecstasy, 4-MMC, 3 MMC, Crystal Meth) und Ketamin, die entweder im Partykontext oder im Rahmen von Chemsex konsumiert werden, verursachen Schlafstörungen. Nicht selten werden dann dämpfende Substanzen eingenommen, um wieder in den Schlaf zu finden. Bei häufigerem Konsum kann die natürliche Schlafregulation anhaltend gestört werden. Eine dauerhafte Lösung besteht letztlich nur in Abstinenz.
Nicht selten führen auch körperliche Erkrankungen zu Schlafstörungen. Bei Menschen mit HIV sind das insbesondere neurologische Erkrankungen, wie schmerzhafte Polyneuropathien vor allem der Beine und unwillkürliche Beinbewegungen (Restless-Legs-Syndrom), welche die Betroffenen nachts nicht oder nur unruhig schlafen lassen. Daneben können Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und der Lunge ebenso zu Schlafstörungen führen wie hormonelle Störungen, z. B. eine Schilddrüsenüberfunktion.
Besondere Beachtung verdienen schlafbezogene Atmungsstörungen wie das Schlaf-Apnoe-Syndrom. Hier kommt es im Lauf der Nacht immer wieder zum Aussetzen der Atmung, wodurch die Sauerstoffversorgung des Gehirns und anderer Organe herabgesetzt wird. Meistens wird der Schlaf dann als nicht erholsam erlebt und es besteht eine starke Tagesmüdigkeit mit Neigung zum Einschlafen bei monotonen Tätigkeiten und herabgesetzte Leistungsfähigkeit. Das Schlaf-Apnoe-Syndrom ist außerdem ein Risikofaktor für Bluthochdruck und Herzinfarkt und sollte deswegen frühzeitig erkannt und behandelt werden. Betroffen sind häufiger mehrgewichtige Menschen mit einer Neigung zum Schnarchen.
Viele Arzneimittel können als Nebenwirkung zu Schlafstörungen führen. Das gilt sowohl für Substanzen, die in der Behandlung der HIV-Infektion eingesetzt werden, als auch für andere Medikamente. Dabei treten neben Schlaflosigkeit bzw. unruhigem Schlaf auch abnorm lebhafte Träume bis hin zu Albträumen auf. Der Schlaf wird dann als wenig erholsam erlebt. Bei den in der HIV-Behandlung eingesetzten antiretroviralen Wirkstoffen werden Schlafprobleme insbesondere unter Integrasehemmern und älteren NNRTI beobachtet. Wenn der Leidensdruck ausgeprägt ist, sollte eine Umstellung der Behandlung in Erwägung gezogen werden.
Eine Vielzahl anderer Arzneimittel kann ebenfalls Schlafstörungen auslösen. Dazu gehören Asthmamittel (auch zum Inhalieren), bestimmte Antibiotika, Mittel zur Behandlung der Parkinson-Erkrankung, Medikamente gegen Bluthochdruck, Cholesterinsenker und Mittel zur Behandlung urologischer Probleme. Anabolika, die im Sport zum Muskelaufbau benutzt werden, können genauso wie andere Dopingsubstanzen nicht nur Schlafstörungen, sondern auch weitere, teils gravierende, seelische Störungen auslösen. Gerade bei frei verkäuflichen Arzneimitteln wie koffeinhaltigen Schmerzmitteln, Grippe- und Schnupfenmitteln und Appetitzüglern wird ein möglicher Zusammenhang mit Schlafstörungen oft übersehen.
Wann sollte ich bei Schlafstörungen ärztlichen Rat suchen?
Es ist völlig normal, dass man nicht immer gleich gut schläft. Insbesondere äußere Einflüsse wie z. B. ein Wechsel der Umgebung und Lärm oder innere Einflüsse wie Sorgen und aktuelle Stressbelastungen können den Schlaf vorübergehend beeinflussen, ohne dass man sich des wegen Sorgen um die Gesundheit machen müsste. Ein vorübergehendes Schlafdefizit kann nachgeholt werden.
In den meisten Fällen sind Schlafprobleme die Folge ungünstiger Lebensgewohnheiten. Sie lassen sich daher oft durch geeignete Verhaltensänderungen („Schlafhygiene“) beseitigen.
In folgenden Fällen sollten Sie jedoch ärztlichen Rat einholen:
- Wenn Schlafstörungen über mehr als einen Monat anhalten, mindestens dreimal pro Woche auftreten und zu starken Beeinträchtigungen tagsüber führen (Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, ungewolltes Einschlafen am Tag)
- Wenn Ihr:e Partner:in feststellt, dass Sie stark schnarchen bzw. im Schlaf längere Atempausen haben
- Wenn Sie nachts unter Schmerzen und / oder Atemnot leiden und deswegen nicht schlafen können
- Wenn die Schlafstörungen nach Beginn oder Umstellung einer medikamentösen Behandlung, insbesondere der HIV-Medikamente, aufgetreten sind
Wie kann ich mir selbst helfen?
In den meisten Fällen sind Schlafprobleme die Folge ungünstiger Lebensgewohnheiten. Sie lassen sich oft durch geeignete Verhaltensänderungen („Schlafhygiene“) beseitigen. In jedem Fall sollte man die folgen den Maßnahmen ausschöpfen, bevor man zu Schlafmitteln greift.
- Stehen Sie möglichst immer zur gleichen Zeit auf und gehen Sie zu festen Zeiten schlafen. Langes Ausschlafen am Wochenende bringt den Schlafrhythmus durcheinander und sollte vermieden werden.
- Bewegen Sie sich jeden Tag mindestens eine halbe Stunde bei Tageslicht an der frischen Luft.
- Noch besser ist Ausdauersport, wenn er nicht zu spät am Abend stattfindet.
- Trinken Sie ab dem Nachmittag keine koffeinhaltigen Getränke mehr (Kaffee, schwarzer oder grüner Tee, Cola, Energy-Drinks)
- Nehmen Sie abends keine schweren Mahlzeiten zu sich. Gehen Sie aber auch nicht hungrig ins Bett.
- Gestalten Sie Ihr Schlafzimmer angenehm. Am besten ist es kühl, dunkel und ruhig. Matratze und Bettzeug sollen möglichst bequem sein.
- Sie sollten nachts keine Uhr im Blickfeld haben.
- Benutzen Sie das Bett nur zum Schlafen und um Sex zu haben. Also nicht zum Fernsehen, Essen, Lesen oder Surfen im Internet.
- Fahren Sie in den Stunden vor dem Schlafengehen langsam Ihre körperlichen und geistigen Aktivitäten herunter.
- Vermeiden Sie aufregende Filme, Bücher und Gespräche und längeres Surfen im Internet. Viele Bildschirme strahlen Licht von einer Wellenlänge ab, welche die natürliche Melatoninausschüttung (körpereigenes Schlafmittel) hemmt.
- Finden Sie Ihr persönliches Einschlafritual.
- Alkoholkonsum am Abend stört insbesondere das Durchschlafen. Nikotin hat eine stimulierende Wirkung und kann zu Einschlafstörungen führen.
- Schlafmittel sind keine Dauerlösung.
- Fragen Sie immer Ihre:n Apotheker:in bevor Sie auch frei verkäufliche und / oder pflanzliche Mittel einnehmen.
- Wenn Sie nach dem Zubettgehen länger als eine halbe Stunde wachliegen, sollten Sie aufstehen, in ein anderes Zimmer gehen und sich eine monotone Beschäftigung suchen.
- Wenn es Grübeleien und Sorgen sind, die Sie vom Schlafen abhalten: Schreiben Sie Ihre Gedanken auf.
- Gehen Sie erst wieder zurück ins Bett, wenn Sie sich müde fühlen.
Tipp zum Weiterlesen
Claudia Croos-Müller, Schlaf gut. Das kleine Überlebensbuch. Kösel Verlag, 2014.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Zwei Grundsätze sind in der Behandlung von Schlafstörungen zu beachten:
Erstens sollte eine sorgfältige ärztliche Untersuchung durchgeführt werden. Sie dient dazu, körperliche Grundkrankheiten als Ursache der Schlafstörungen auszuschließen beziehungsweise zu behandeln.
Zweitens sollten nicht-medikamentöse Behandlungsmaßnahmen zuerst durchgeführt und Schlafmittel erst verordnet werden, wenn diese nicht-medikamentösen Maßnahmen nicht ausreichend wirksam waren.
Zu den nicht-medikamentösen Maßnahmen gehören:
Den Patient:innen sollten Basisinformationen über normalen und gestörten Schlaf vermittelt werden. Diese Website dient genau dem Zweck. Nur gut informierte Patient:innen können sinnvoll und eigenverantwortlich an ihrer Behandlung mitwirken und mit Fehlverhalten verbundene Risiken erkennen und vermeiden.
Die im Abschnitt „Wie kann ich mir selbst helfen?“ beschriebenen Maßnahmen der Schlafhygiene sollten immer umgesetzt werden.
Nach Möglichkeit sollte man über einen Zeitraum von etwa vier Wochen oder länger ein Schlaftagebuch führen. Das hilft den Betroffenen, weil sie so bestimmte Muster erkennen, wie ihr Verhalten oder andere Faktoren den Schlaf beeinflussen. Auch für weiterbehandelnde Ärzt:innen wie Neurologen oder Lungenärzt:innen oder ein Schlaflabor liefert das Schlaftagebuch hilfreiche Informationen.
Hilfreich ist in vielen Fällen das Erlernen eines Entspannungsverfahrens. Das können die klassischen Verfahren Autogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson sein. Viele Menschen profitieren aber auch von Meditation in verschiedenen Formen. Erlernen kann man diese Verfahren in Kursen, z. B. in Volkshochschulen. Manchmal bieten auch Krankenkassen ihren Versicherten solche Kurse kostenlos oder zu einem vergünstigten Preis an. Eine Nachfrage bei der Krankenkasse kann sich daher lohnen.
Eine Kombination aus den beschriebenen Maßnahmen findet sich in digitalen Gesundheitsanwendungen die auch als „Apps auf Rezept“ bezeichnet werden. Darin werden Inhalte aus der kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) vermittelt. Nutzer:innen lernen beispielsweise, ihre Schlafzeiten zu optimieren, einem individuell abgestimmten Schlaf-Wach-Rhythmus zu folgen, mit schlafhindernden Gedanken umzugehen oder sich mittels Entspannungstechniken in einen schlafförderlichen Zustand zu bringen.
Beim Schlafcoaching handelt es sich um eine Beratung in der Strategien besprochen und begleitet werden, die über die beschriebenen allgemeinen Maßnahmen der Schlafhygiene hinausgehen. Dazu gehören zum Beispiel teilweiser Schlafentzug oder Schlafverkürzung als verhaltenstherapeutische Möglichkeiten, zu einem normalen Schlafmuster zurückzukehren.
In der Behandlung chronischer Schlafstörungen haben sich Strategien der kognitiven Verhaltenstherapie besonders bewährt. Wenn chronischer seelischer Stress, akute oder chronische seelische Belastungen oder Konflikte als (Teil-)Ursache der Schlafstörungen identifiziert wurden, sowie bei Depressionen und Angsterkrankungen kann auch eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie hilfreich sein.
Erst wenn all diese Maßnahmen nicht ausreichen sollten, kann die Anwendung von Schlafmitteln in Erwägung gezogen werden.1 Mehr Informationen dazu finden Sie im Abschnitt „Welche Rolle spielen Schlafmittel?“
Welche Rolle spielen Schlafmittel?
Schlafmittel sollen in der Regel erst als letzte Möglichkeit eingesetzt werden, wenn alle anderen nicht-medikamentösen Maßnahmen ausgeschöpft wurden und nicht ausreichend gewirkt haben. Schlafmittel können zwar den subjektiven Leidensdruck verringern und dadurch als Erleichterung empfunden werden. Letztlich führen sie aber nicht zu einem natürlichen Schlafmuster und stellen daher eher eine Art „Schlafkosmetik“ dar.
Die meisten Schlafmittel sind verschreibungspflichtig. Am häufigsten werden Benzodiazepine und Z-Substanzen wie Zopiclon und Zolpidem angewendet. Sie sind überwiegend gut verträglich und haben auch mit HIV-Medikamenten wenig Wechselwirkungen. Bei längerer Anwendung machen sie aber abhängig. Daher sollten sie nach Möglichkeit nicht länger als vier Wochen eingenommen werden.
Insbesondere wenn die Schlafstörungen mit einer Depression oder einer Angststörung zusammenhängen, ist der Einsatz von Antidepressiva zur Behandlung dieser Grundkrankheiten sinnvoll. Einige Antidepressiva haben eine ausgeprägte schlaffördernde Wirkung. Bei der Auswahl des geeigneten Antidepressivums sollten mögliche Wechselwirkungen mit der HIV-Medikation beachtet werden. Das gilt insbesondere für das teilweise frei verkäufliche Johanniskraut. Manchmal werden schlaffördernde Antidepressiva auch unabhängig von einer Depression in niedriger Dosis zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt. Ein Vorteil von Antidepressiva besteht in darin, dass sie nicht abhängig machen. Das gilt auch für Arzneimittel aus der Gruppe der Antipsychotika, die gelegentlich als Schlafmittel verordnet werden.2
In Deutschland relativ neu auf dem Markt sind Orexin-Antagonisten wie Daridorexant. Sie blockieren die Wirkung des körpereigenen „Wachmachers“ Orexin und fördern so den Schlaf. In den bisherigen Studien hat sich auch bei Langzeitanwendung kein Hinweis auf das Entstehen einer Abhängigkeit gezeigt. Diese Mittel sind allerdings teuer, was einer breiteren Anwendung im Weg steht. Wechselwirkungen mit einigen in der HIV-Behandlung eingesetzten Wirkstoffen (z. B. Efavirenz, Ritonavir) müssen beachtet werden.
Frei verkäuflich sind die meisten Melatonin-Präparate. Melatonin ist eine körpereigene Substanz, die bei Dunkelheit ausgeschüttet wird und den Schlaf einleitet. Als Arzneimittel ist Melatonin eine meistens gut verträgliche Möglichkeit, die manchen Betroffenen vor allem bei Einschlafstörungen hilft. Inzwischen gibt es auch Kombinationspräparate aus schnell und verzögert freisetzendem Melatonin, die auch bei Durchschlafstörungen eine gewisse Wirksamkeit haben sollen.
In Deutschland ebenfalls frei verkäuflich sind Antihistaminika wie Doxylamin und Diphenhydramin. Sie sind zwar wirksam, können aber gravierende Neben- und Wechselwirkungen haben und abhängig machen. Daher wird von ihrer Anwendung abgeraten.
Wenn die Schlafprobleme mit Angstsymptomen zusammenhängen, kann ein Versuch mit frei verkäuflichem Lavendelöl gemacht werden. Pflanzliche Kombinationspräparate mit Baldrian, Hopfen und Passionsblume können ebenfalls versucht werden, da sie kaum Neben- oder Wechselwirkungen haben und nicht abhängig machen.
Wenn Schlafmittel verordnet wurden, sollte in regelmäßigen Abständen überprüft werden, ob die Behandlung weiter notwendig ist oder beendet werden kann. Insbesondere nach längerer Behandlung mit Benzodiazepinen oder Z-Substanzen darf das Medikament nicht plötzlich abgesetzt werden, sondern es muss eine langsame Verringerung der Dosis („Ausschleichen“) erfolgen, weil sonst Entzugserscheinungen auftreten können.
1 Es gibt Ausnahmen von dieser Regel. Zum Beispiel kann bei akuten seelischen Krisen oder in anderen Situationen, in denen schnelles Handeln und eine umgehende Symptomentlastung nötig ist, die sofortige Verschreibung eines Schlaf- oder Beruhigungsmittels nach ärztlichem Ermessen notwendig sein.
2 Antidepressiva und Antipsychotika sind zwar nicht als Schlafmittel zugelassen. Sie können aber im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit unter bestimmten Voraussetzungen dennoch eingesetzt werden. Das wird als zulassungsüberschreitende Anwendung oder „off label“-Gebrauch bezeichnet. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Off-Label-Use
Welche Wechselwirkungen zwischen Schlafmitteln und HIV-Medikamenten sind zu beachten?
Es gibt einige Wechselwirkungen zwischen HIV-Medikamenten einerseits und Schlafmitteln bzw. Psychopharmaka andererseits. Das gilt auch für frei verkäufliche Mittel wie Johanniskraut und Antihistaminika.
Folgende Wechselwirkungen bei der gleichzeitigen Anwendung mehrerer Wirkstoffe sind zu unterscheiden:
Zum Beispiel verstärkt Johanniskraut den Abbau einer Vielzahl von Wirkstoffen, die in der HIV-Behandlung eingesetzt werden. Dann besteht die Gefahr, dass die HIV-Medikation nicht mehr richtig wirkt, so dass die Viruslast steigt mit allen negativen Folgen (Entstehung von Resistenzen, Risiko der Virusübertragung). Umgekehrt kann das HIV-Medikament Efavirenz die Wirkung des Schlafmittels Daridorexant abschwächen.
Zum Beispiel hemmen in der HIV-Behandlung eingesetzte Booster-Substanzen wie Cobicistat und Ritonavir den Abbau von Quetiapin, einem Psychopharmakon, das in der Behandlung bestimmter seelischer Störungen und manchmal auch gegen Schlafstörungen eingesetzt wird. Das gilt auch für das Schlafmittel Daridorexant. In der Folge können Nebenwirkungen unter Umständen erheblich verstärkt werden.
Dann kann die Kombination der beiden Wirkstoffe diese ähnlichen Nebenwirkungen entsprechend verstärken. Zum Beispiel können als Schlafmittel eingesetzte Antihistaminika ebenso wie bestimmte Antidepressiva in Kombination mit manchen HIV-Medikamenten zu bedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen.
Fragen Sie daher immer Ihre:n Apotheker:in bevor Sie auch frei verkäufliche und / oder pflanzliche Mittel einnehmen. Sie können Ihnen alle Fragen zu möglichen Wechselwirkungen kompetent beantworten. Das gilt selbstverständlich auch für den Konsum von Partydrogen.
Fragebogen: Interesse und Wissen zum Thema HIV
Gewicht und HIV
Neben Schlafstörungen können auch Übergewicht und Adipositas bei Menschen mit HIV – wie in der Allgemeinbevölkerung – eine zunehmende Rolle spielen. Adipositas dürfte dabei zu dem ohnehin erhöhten Risiko für Folgeerkrankungen bei Menschen mit HIV beitragen. Warum ein Blick auf die Waage so wichtig ist
Cholesterin und HIV
Menschen mit HIV haben heute eine normale Lebenserwartung. Aber auch bei gut behandelter HIV-Infektion haben Menschen mit HIV-Infektion ein ca. zweifach erhöhtes Risiko, eine kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln. Einer der Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen ist ein erhöhter Cholesterinspiegel.
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